Therapieoptionen: Medikamentöse Stufentherapie

Es gibt keine direkte (Head-to-Head-) Vergleichsstudien zu Osteoporosetherapien mit Frakturendpunkten. Näherungsweise werden deshalb Wirkstärkenvergleiche anhand von Metaanalysen angestrebt, die jedoch nicht immer zu konsistenten Ergebnissen führen. Eventuelle Wirkstärkenunterschiede als Ergebnis von Metaanalysen sind daher ohne konkurrierende Vergleichsstudien nicht ausreichend belastbar und damit nicht relevant für eine Priorisierung der Substanzverordnung, so dass die Auswahl eines geeigneten Arzneimittels anhand der individuellen Patientenkonstellation (Risikoprofil, Kontraindikationen, Begleiterkrankungen, Unverträglichkeiten) und der Kosten getroffen werden muss.  Vom Wirkmechanismus wird unterschieden zwischen vorwiegend antiresorptiven (Bisphosphonate, Denosumab, Raloxifen, Östrogene) oder anbaustimulierenden (Parathormon-Präparate).

Basistherapie
Bei gravierenden Risikofaktoren und ohne Vorliegen osteoporotischer Brüche ist bei normaler (T-Wert > -1) oder osteopenischer Knochendichte (T-Wert -1 bis -2,5) eine Basistherapie mit Calcium und Vitamin D zweckmäßig.
Im Erwachsenenalter wird eine Gesamtaufnahme von mindestens 1000 mg pro Tag Calcium (über Ernährung, Flüssigkeitskonsum und Supplementation) empfohlen. Gleichzeitig sollte eine ausreichende Vitamin D Substitution erfolgen. Empfohlen wird eine Aufnahme von 800 bis 1.000 I.E. Vitamin D pro Tag.
Neuesten Erkenntnissen zufolge ist eine calciumreiche Diät nicht mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert.

Bisphosphonate
Die Einleitung einer Antiosteoporosetherapie erfolgt stets mit einer Basistherapie plus einem oralem Bisphosphonat (z.B. Alendronsäure, Risedronsäure, Ibandronsäure). Hierbei muss überprüft werden:

  • die Verträglichkeit der Substanz
  • die Einhaltung einer strikt regelmäßigen Einnahme unter Beachtung des  Einnahmemodus (nüchtern, 30 bis 60 Minuten vor dem Frühstück mit einem großen Schluck Leitungswasser in aufrechter Position, keine gleichzeitige Einnahme anderer Wirkstoffe)
  • die Vermeidung einer gleichzeitigen Einnahme von Calciumpräparaten (cave: Komplexbildung zwischen Calcium und Bisphosphonat)

Für den Beginn einer gezielten Therapie mit Alendronsäure oder Risedronsäure sprechen das breite zugelassene Indikationsspektrum, die orale Darreichungsform, bekannte Langzeitwirkungen und wirtschaftliche Gründe (Kosten, Verfügbarkeit generischer Präparate).

Ein intravenöses Bisphosphonat (z.B. Ibandronsäure, Zoledronsäure) ist gerechtfertigt bei

  • zeitlich eindeutig assoziierbaren gastrointestinalen Unverträglichkeitsreaktionen unter oraler Bisphosphonat-Therapie
  • Bettlägerigkeit
  • Malassimilation (zum Beispiel M. Crohn,Colitis ulcerosa, Pankreasinsuffizienz)
  • Barrett-Ösophagus, Erkrankungen des Ösophagus
  • Schluckstörung
  • fehlende Adhärenz

Vorhofflimmern ist keine Kontraindikation für Bisphosphonate, ebenso wenig wie eine kürzliche Fraktur, eine endoprothetische oder erfolgte zahnärztliche Versorgung. Geringfügige zahnärztliche Beschwerden, die nur eine Behandlung der Zähne erfordern (Kariesbehandlung, Zahnreinigung), können jederzeit durchgeführt werden, völlig unabhängig von jeder Osteoporosebehandlung.

Bei der Wirkstoffauswahl sowohl innerhalb der oralen, als auch der intravenösen Bisphosphonate, sind die in der jeweils gültigen Zielvereinbarung definierten Leitsubstanzen zu beachten.
Darüber hinaus ist bei der Wirkstoffauswahl die Zulassung der einzelnen Präparate zu beachten. So sind folgende Bisphosphonate zur Behandlung der Osteoporose bei Männern zugelassen: Alendronsäure, Risedronsäure und Zoledronsäure. Der Einsatz anderer Wirkstoffen stellt bei Männern einen Off-Label-Use dar.
Für die Behandlung der glukokortikoid-induzierten Osteoporose sind als zugelassene Alternativen die Wirkstoffe Alendronsäure, Risedronsäure und Zoledronsäure verfügbar.

Bei Bisphosphonat-Unverträglichkeit oder fragwürdiger Wirksamkeit (trotz guter Compliance keine Abnahme der Frakturhäufigkeit in den ersten ein bis zwei Jahren der Behandlung) können alternative Präparate entsprechend ihrer Zulassung eingesetzt werden. (siehe "Substanzwechsel“).

Denosumab
Denosumab kann bei einer Kreatinin-Clearance ≤ 40 ml / min oder bei Bisphosphonat-Unverträglichkeit verabreicht werden.
Denosumab reduziert das Risiko für osteoporotische Frakturen im Vergleich zu Placebo. Direkte Vergleiche mit Bisphosphonaten liegen nicht vor, ein klinischer Vorteil ist somit bezüglich der Frakturhäufigkeit nicht nachgewiesen. Eine, in einem Rote-Hand-Brief für Denosumab in 2014, umgesetzte Empfehlung der EMA fordert, dass die Fachinformation um Warnhinweise zum Auftreten von Kieferosteonekrosen sowie eine Auflistung von klinischen Merkmalen einer schweren Hypokalzämie zu ergänzen sind. Grund hierfür waren schwere symptomatische Hypokalzämien unter Denosumab. Die AKdÄ empfiehlt daher, vor einer Behandlung mit Denosumab die Calciumkonzentration im Blutserum zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Unter der Behandlung ist auf eine ausreichende Gesamtzufuhr an Calcium und Vitamin D zu achten (1 000 mg Calcium und 1000 IE Vitamin D3 täglich). Ausnahme hiervon bildeten Patienten mit Hyperkalzämie. In jedem Falle sollten die mit Denosumab behandelten Patienten über mögliche Symptome einer Hypokalzämie, wie z.B. periorales Taubheitsgefühl, Parästhesien an den Extremitäten, Muskelkrämpfe, Erschöpfung, Übererregbarkeit, Angstzustände oder Depression, aufgeklärt werden.

Parathormon
Gegenüber Bisphosphonaten wurde keine stärkere frakturrisikosenkende Wirkung des rund 35-mal teureren Teriparatids nachgewiesen. Zu den leistungsrechtlichen Aspekten einer Teriparatid-Verordnung gibt die Arzneimittel-Richtlinie in Anlage IV konkrete Therapiehinweise. Demnach ist Teriparatid zur Behandlung der manifesten Osteoporose bei postmenopausalen Frauen nur Mittel der zweiten Wahl. Die Verordnung bleibt folgenden Ausnahmefällen vorbehalten:

  • „„nur bei manifester Osteoporose mit mindestens zwei neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten (die beispielsweise nach initialer ein- bis zweijähriger Bisphosphonat- Therapie auftreten)
  • „„nach Absetzen des Bisphosphonats oder anderer Antiosteoporotika aufgrund von Unverträglichkeiten (ösophageale Ulcera, Erosionen, Strikturen oder entsprechende schwere gastrointestinale Symptome)
  • „„bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegenüber Raloxifen.

Der Wechsel auf ein Parathormon-Präparat kann sinnvoll sein, wenn trotz ein- bis zweijähriger konsequenter Pharmakotherapie einer primären Osteoporose mehrere neue Knochen- oder Wirbelbrüche aufgetreten sind (siehe "Substanzwechsel"). Bei manifester glukokortikoid-induzierter Osteoporose mit mehreren Knochenbrüchen kann auch der primäre Parathormon-Einsatz zweckmäßig sein, wobei die Therapie immer nach maximal zwei Jahren beendet und kein zweites Mal durchgeführt wird.
Antiosteoporotische Kombinationstherapien (z. B. Bisphosphonat plus Parathormon) zusätzlich zur Basistherapie sind nicht zweckmäßig, da keine additiven Wirkungen auf die Senkung des Frakturrisikos belegt sind.

Raloxifen
Raloxifen ist bei bereits aufgetretenen Thromboembolien kontraindiziert. Wegen der Erhohung des Thromboembolie-Risikos sollte dieses Arzneimittel auch nicht bei adiposen oder Tumor-Patienten eingesetzt werden. Allerdings kann Raloxifen bei Patientinnen mit gleichzeitigem ostrogenrezeptorpositiven Mammakarzinom günstig sein, kann aber andererseits Postmenopause-Beschwerden auslösen oder verstärken.

Östrogene
Östrogene haben ebenfalls eine nachgewiesene frakturpräventive Wirkung. Nach heutigem Kenntnisstand erhöhen sie allerdings das Risiko für eine Reihe von Erkrankungen (z.B. Thromboembolie, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Mamma-/Uteruskarzinom, Alzheimer-Demenz), weshalb sie derzeit nicht zur Osteoporosebehandlung eingesetzt werden, sofern nicht gravierende östrogendefizitbedingte Beschwerdebilder im Rahmen der Postmenopause vorliegen.

Strontiumranelat
Für den Wirkstoff Strontiumranelat ist auch unter Berücksichtigung des anderen Wirkmechanismus für die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose kein zusätzlicher Nutzen hinsichtlich der fraktursenkenden Wirkungen im Vergleich zu den Bisphosphonaten belegt. Im März 2014 wurde die Zulassung von Strontiumranelat beschränkt und ab August 2017 der Vertrieb des Präparates eingestellt.

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