Beratung vor Regress / Nachforderungsersetzende Beratung / Regressbegrenzung

1. „Beratung vor Regress“ nach § 106 Abs. 5e SGB V (a.F.)

Der Gesetzgeber hat im Jahr 2012 im GKV-Versorgungsstrukturgesetz mit Einführung des § 106 Abs. 5e SGB V geregelt, dass statt der Festsetzung eines Regresses zunächst eine individuelle Beratung zu erfolgen hat, wenn bei Ärzten eine erstmalige Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 Prozent festgestellt wird („Beratungsvorrangsregelung“). Erst für den, auf die individuelle Beratung folgenden, Verordnungszeitraum kann ein Regress festgesetzt werden.

Hierzu hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 22. Oktober 2014 (Az.: B 6 KA 3/14 R) klargestellt, dass dieser Beratungsvorrang nicht für Ärzte anwendbar ist, gegen die schon einmal in der Vergangenheit ein Regress festgesetzt wurde. Für Ärzte, die bereits in vorangegangenen Prüfzeiträumen ihr Richtgrößenvolumen auch nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten noch um mehr als 25 Prozent überschritten hatten, und deshalb ein Regress festgesetzt worden war, erfolgt eine neuerliche Regressfestsetzung ohne vorangehende Beratung.  

Sachverhalt
(nach Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten)
Entscheidung
Richtgrößenüberschreitung > 25 %,
es liegt eine Regressentscheidung aus früheren Jahren vor
Regress
Richtgrößenüberschreitung > 25 %,
es liegt keine Regressfestsetzung aus Vorjahren vor (d. h. Erstmaligkeit)
individuelle Beratung
Richtgrößenüberschreitung > 25 %
im auf die individuelle Beratung folgenden Verordnungszeitraum
(„Die Beratung konnte sich auswirken.“)
Regress* ggf. beschränkt auf 25.000 € für zwei Jahre

* Beispiel:  Für den Verordnungszeitraum 2012 ergeht der Prüfbescheid mit einer individuellen Beratung am Ende des Jahres 2014. Die Beratung hat erst Auswirkungen auf Verordnungen im Jahre 2015. Erst für das Verordnungsjahr 2015 kann falls erforderlich, ein Regress festgesetzt werden.

Unterschied zwischen „einfacher Beratung" und "Beratung vor Regress"
Bei der "einfachen Beratung" aufgrund einer Überschreitung zwischen 15 und 25 % handelt es sich um eine Maßnahme, die den Arzt lediglich durch eine durchzuführende Beratung auf Möglichkeiten zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots hinweist. Diese Beratung folgt dem gesetzlichen Leitbild, wonach es zu den Aufgaben der Prüfgremien gehört, Vertragsärzte „in erforderlichen Fällen“ über wirtschaftliches und notwendiges Verordnungsverhalten zu informieren. Zwar sieht das BSG in einer solchen Beratung eine den Vertragsarzt beschwerende Maßnahme, spürbar nachteilige Rechtsfolgen sind mit dieser Form der Beratung jedoch gerade nicht verbunden. Insbesondere entfaltet diese Beratung keine Bindungswirkung oder ein sonstiges Präjudiz für darauffolgende Verordnungszeiträume.

2. „Nachforderungsersetzende Beratung“ ab Verordnungsjahr 2017

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz hat der Gesetzgeber im Jahr 2015 auch nach Abschaffung der Richtgrößenprüfungen weiter die Regelung in § 106b Abs. 2 S. 3 SGB V aufrechterhalten, dass bei erstmaliger Auffälligkeit eine individuelle Beratung weiteren Maßnahmen, wie die der Festsetzung einer Nachforderung, vorgeht. Erstmalige Auffälligkeit liegt hierbei nach § 5 Abs. 2 der Rahmenvorgaben für die Wirtschaftlichkeitsprüfung ärztlich verordneter Leistungen von GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung vor, wenn gegenüber der in Prüfung befindlichen Praxis/Einrichtung bisher weder eine individuelle Beratung nach alter oder neuer Rechtslage (§ 106 Abs. 5e a. F. oder § 106 b Abs. 2 S. 3 SGB V) noch eine Nachforderung oder ein Regress festgesetzt wurde.
Nachforderungen dürfen dann erstmals für den Prüfzeitraum nach erfolgter individueller Beratung in Folge erstmaliger Auffälligkeit festgesetzt werden, d.h. erst dann, wenn sich die Beratung inhaltlich auswirken konnte. Für die Prüfzeiträume, in denen sich die individuelle Beratung inhaltlich noch nicht auswirken konnte (Zwischenjahre) sind erneut individuelle Beratungen durchzuführen, soweit eine entsprechende Auffälligkeit auch in diesen Prüfzeiträumen vorliegt.

3. Regressbegrenzungsregelung bis Verordnungsjahr 2016

Sind nach erfolgter, individueller Beratung Regressbeträge festzusetzen, dürfen diese für die ersten beiden Jahre zusammen einen Betrag von 25.000 € nicht übersteigen.

4. Nachforderungsbegrenzungsregelung ab Verordnungsjahr 2017

Im Fall einer erstmaligen Nachforderung und einer Nachforderungshöhe von mehr als 5.000 € wird der Nachforderungsbetrag (netto) auf maximal 10 % des Gesamthonorars aus der gesetzlichen Krankenversicherung für den Prüfzeitraum (inklusive abgerechneter Selektivvertragsfälle und exklusiv gesondert abrechnungsfähiger Sachkosten), jedoch mindestens auf einen Betrag in Höhe von 5.000 € begrenzt.
Für die darauffolgende Festsetzung einer Nachforderung erfolgt eine Begrenzung auf maximal 25 % des Gesamthonorars aus der gesetzlichen Krankenversicherung für den Prüfzeitraum, mindestens jedoch auf einen Betrag von 5.000 €.
Um diese Nachforderungsbegrenzungsregelung anwenden zu können wird die Zustimmung der geprüften Praxis / Einrichtung zur Übermittlung der Honorardaten durch die KVBW bzw. die Krankenkassen benötigt. Wird eine Einwilligung nicht erteilt findet die Begrenzungsregelung keine Anwendung.