1. Einführung / Gesetzlicher Hintergrund

In Deutschland gibt es derzeit mindestens 1 Million Menschen mit einer chronischen Wunde. Somit ist auch z. B. jede Hausarztpraxis mit diesen Patienten konfrontiert. Die Behandlung ist langwierig und nicht selten komplex, nachhaltige Erfolge sind eher selten.

Dieser Leitfaden soll, dem nicht auf die Wundbehandlung spezialisierten Arzt Handreichungen geben, diese Patienten angemessen zu versorgen. Angemessen heißt, dass die Behandlung dem derzeitigen Stand des medizinischen Wissens entspricht und die dazu erforderlichen Ressourcen zielgerichtet eingesetzt werden. Neben der entscheidenden Frage nach der Ursache einer Wunde und damit der Behandlung der zugrunde liegenden Grunderkrankung geht es insbesondere darum, eine Systematik der in immer größerer Zahl angebotenen Materialien zur Lokalbehandlung zu geben und so einen wirtschaftlichen Einsatz zu ermöglichen. Diese Übersicht bezieht sich auf aktuelle Leitlinien der Fachgesellschaften und neu hinzugekommene Literatur und konzentriert sich auf die Behandlung von erwachsenen Patienten. Zudem liegt diesem Leitfaden die langjährige klinische Erfahrung der Autoren in der ambulanten und stationären Behandlung chronischer Wunden und in der Weiterbildung verschiedener Qualifikationen im „Wundmanagement“ zugrunde.

Die Rechtsgrundlage für die Leistungspflicht von Verbandmitteln stellt der § 31 SGB V dar. Demnach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Verbandmitteln. Der G-BA konkretisiert, welche Produkte unter den Begriff eines Verbandmittels fallen und damit unmittelbar zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnungsfähig sind. So enthält Teil 1 und 2 der Anlage Va der Arzneimittel-Richtlinie Produktgruppen von unmittelbar verordnungsfähigen Verbandmitteln

Hierbei werden unterschieden:

  1. Eineindeutige Verbandmittel.  Produkte dieser Kategorie bedecken die Wunde und/oder saugen Wundexsudat auf. Des Weiteren können durch diese Produkte auch Körperteile stabilisiert, immobilisiert oder komprimiert werden. Weitere Eigenschaften dürfen diese Produkte jedoch nicht aufweisen. In diese Kategorie fallen z.B. auch Kompressionsbinden und Saugkompressen. (Teil 1 Anlage Va der AM-RL)
     
  2. Verbandmittel mit ergänzenden Eigenschaften. Produkte dieser Kategorie weisen gegenüber eineindeutigen Verbandmitteln weitere Eigenschaften auf, wobei die ergänzenden Eigenschaften ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen müssen. Hier handelt es sich z.B. um Hydrogele in Kompressenform oder antiadhäsiv wirkende Salbenkompressen. (Teil 2 Anlage Va der AM-RL)

Von den Verbandmitteln abzugrenzen sind die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung, die durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkweise die Heilung der Wunde aktiv beeinflussen können. Die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung werden beispielhaft in Teil 3 der Anlage Va AM-RL gelistet. Nur nach Prüfung des medizinischen Nutzens durch den G-BA und Aufnahme in die Anlage V der Arzneimittel-Richtlinie sind diese Produkte verordnungsfähig. Bisher haben nur wenige Produkte eine ausreichende Evidenz nachgewiesen, die zu einer Listung in Anlage V der AM-RL geführt hat. Die aktuellste Version und damit alle zum jetzigen Zeitpunkt gelisteten Produkte finden Sie hier.
Im Rahmen einer Übergangsregelung sind diese Produkte aber unabhängig von der Listung in der Anlage V noch bis 2. Dezember 2025 unter Beachtung der Wirtschaftlichkeit verordnungsfähig. Voraussetzung ist, dass es sich um Produkte handelt, die bereits vor dem 2. Dezember 2020 zulasten der Krankenversicherung erstattet werden konnten.

Verordnung von Verbandmitteln
Die Verordnung von Verbandmitteln für die Versorgung von chronischen Wunden erfolgt als Einzelverordnung auf den Namen des Patienten (Cave: kein SSB). 
Nach § 12 SGB V: Für eine wirtschaftliche Wundversorgung muss der Preis berücksichtigt werden. Bei Verbandmitteln hat die Apotheke das Produkt abzugeben, welches verordnet wurde. Die Apotheke hat damit keine Pflicht auf ein kostengünstigeres Präparat auszutauschen. Der verordnende Arzt entscheidet bei seiner Verordnung also maßgeblich über die Wirtschaftlichkeit. Als Hilfestellung für die wirtschaftliche Verordnung bietet die KV Baden-Württemberg eine Preisübersicht häufig verordneter Verbandmittel an (siehe Kapitel 4).
Wurde ein Produkt verordnet, das nicht lieferbar ist, ist in der Regel eine Änderung des Rezeptes durch den verordnenden Arzt oder ein neues Rezept erforderlich.
Kennzeichnung der Verordnungsfähigkeit im Praxisverwaltungssystem (PVS)
Aktuell werden die sonstigen Produkte zur Wundbehandlung sehr unterschiedlich gekennzeichnet, beispielsweise als Verbandmittel (verordnungsfähig) oder als Medizinprodukt (nicht verordnungsfähig). Teilweise sind sogar gleiche Produkte (Original und Reimporte) unterschiedlich gekennzeichnet.
Die übermittelten Angaben (z.B. das Kennzeichen zur Verordnungsfähigkeit) sind verbindlich. Das heißt im Falle einer Prüfung können Sie sich darauf beziehen. Hersteller nehmen aufgrund der aktuellen Situation derzeit häufig Änderungen bei den Angaben vor. Bitte aktualisieren Sie daher regelmäßig Ihr PVS.
Richtwertprüfung
Die Kosten der Verordnung von Verbandmitteln gehen in das Arzneimittelverordnungsvolumen ein. 
Folgende Arzneimittel-Therapiebereiche (AT) der KV Baden-Württemberg gelten für Verbandstoffe:
AT 56 Mittel zur modernen Wundbehandlung: z. B. Schäume, Hydrogele, Alginate, Superabsorber
AT 57 Sonstige Wundbehandlung: Mullkompressen, Saugkompressen, Kompressionsbinden, Fixierbinden
Verbandstoffverordnungen, die nicht über Apotheken beliefert werden, sind i. d. Regel nicht in der Frühinformation Arzneimittel der KV Baden-Württemberg abgebildet, sondern erst in der Prüfstatistik der Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen. Frühinformation Arzneimittel und Prüfstatistik können sich daher unterscheiden.