7. Verordnung und Wirtschaftlichkeit

7.1 Verordnungsformalien

Die Präparate zur parenteralen Ernährung (einschließlich Vitamine und Spurenelemente) sind im Rahmen der Arzneimittel-Richtwertsystematik dem exRW-Bereich „Parenterale Ernährung“


 1 Der individuelle Ruheenergiebedarf (resting energy expenditure, REE, in kcal) wird abgeschätzt anhand z. B. der Harris-Benedict-Formel:
Frauen:    REE [kcal] = 655 + (9,56 x Gewicht [kg]) + (1,85 x Größe [cm]) – (4,68 x Alter [Jahre])
Männer:    REE [kcal] = 66,5 + (13,8 x Gewicht [kg]) + (5,00 x Größe [cm]) – (6,76 x Alter [Jahre])
Der tatsächliche Energiebedarf ergibt sich durch Multiplikation des Ruheenergiebedarfs mit dem Aktivitätsfaktor (physical activity level, PAL, Werte zwischen 1 und 2, meist ca. 1,5)
In Zweifelsfällen kann der tatsächliche Energieumsatz auch mittels indirekter Calorimetrie gemessen werden. Das ist aber nicht überall verfügbar und auch nur in speziellen Fällen notwendig.


zugeordnet und fließen damit nicht in das für die statistische Wirtschaftlichkeitsprüfung relevante Richtwertvolumen ein. Es ist jedoch zu beachten, dass auch im exRW-Bereich Einzelfallprüfungen auf Antrag durch die gesetzlichen Krankenkassen möglich sind. Daher sollten hinsichtlich Indikationsstellung, Dosierung und Therapiedauer die Vorgaben der Fachinformation und eine wirtschaftliche Präparateauswahl berücksichtigt werden (siehe auch Kapitel 7.3 „Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall – Prüfanträge“).
Verbandmittel im Rahmen der parenteralen Ernährung fließen in die Arzneimittel-Therapie-bereiche 56 „Mittel zur modernen Wundbehandlung“ und 57 „Sonstige Wundbehandlung“ ein.
Hilfsmittel fließen nicht in das Arzneimittel-Verordnungsvolumen ein, unterliegen aber dem Genehmigungsvorbehalt durch die jeweilige Krankenkasse.

Bitte beachten:

  •      Nachträgliche Verordnungen sind unzulässig.
  •      Die Angabe einer Diagnose auf der Verordnung ist nur bei Hilfsmitteln erforderlich.
  •      Keine vorgefertigten Rezeptaufkleber verwenden.
  •      Zur parenteralen Ernährung benötigte Hilfsmittel, Verbandmittel und Arzneimittel sind kein
         Sprechstundenbedarf. Portnadeln sind im Rahmen des Sprechstundenbedarfs nur verordnungsfähig,
         wenn der Arzt den Portnadelwechsel selbst ausführt oder sich in unmittelbarer Nähe aufhält. Wird der
         Portnadelwechsel von einem externen Dienstleister durchgeführt, sind die Portnadeln als Hilfsmittel
         auf den Namen des Versicherten zu verordnen.
     

7.2 Nutzung von Datenbanken und Servicedienstleistern

Zur Unterstützung im Praxisalltag bieten einzelne Servicedienstleister Datenbanken und Softwaremodule zur Auswahl meist kostengünstiger Produkte und Rezepturen zur HPE an. Hierunter sind Anbieter, deren Service von über 12.000 Ärzten genutzt wird und die Verträge mit über 40 Krankenkassen haben. Man kann sich über solche Datenbanken Therapievorschläge generieren lassen. Jeder Verordnungsvorschlag sollte jedoch in Bezug auf die jeweils aktuellen wissenschaftlichen Datenlagen sowie weitere Aspekte geprüft werden. So sind beispielsweise bei der Nutzung dieser Services nachfolgende Punkte zu berücksichtigen:
Wenn die Empfehlung aus Wirtschaftlichkeitsgründen ein Compounding (individuelle Rezeptur) enthält, sind neben der Wirtschaftlichkeit auch die Fragen der medizinischen Notwendigkeit, der Praktikabilität und der Sicherheit im Hinblick auf pharmazeutische Kompatibilität zu berücksichtigen.
Bei der Verordnung eines Compoundings ist zu bedenken, dass die Produkthaftung die Apotheke betrifft und nicht den pharmazeutischen Hersteller (der für tödliche oder gesundheitlich erhebliche Schäden dann haftet, wenn der bestimmungsgemäße Gebrauch eines zugelassenen Fertigarzneimittels stattgefunden hat).
Wenn die Empfehlung eine Kombination aus einem Zweikammerbeutel und Lipiden (als Lipidüberleitung) enthält, ist zu beachten, dass eine solche Kombination nicht angewendet werden darf, wenn der Nachweis über die pharmazeutische Kompatibilität der jeweiligen Mischung nicht erbracht ist. Zudem ist die Komplikationsrate für diese Kombination höher als beim Dreikammermodell. Es ist davon auszugehen, dass dies in den Empfehlungen der neuen DGEM-Leitlinie, die zurzeit aktualisiert wird, Niederschlag findet.
Des Weiteren ist anzumerken, dass man sich auch ein Bild über die fachliche Kompetenz bei solchen Services machen sollte.
Bei der Nutzung dieser Serviceangebote bleibt nämlich die Haftung für die fach- und sachgerechte Patientenbehandlung weiterhin beim behandelnden Arzt, das heißt, die Servicedienstleister übernehmen keinerlei Verantwortung für medizinische Konsequenzen, die aus der Umsetzung der dort generierten Empfehlungen resultieren könnten. Unter diesen Gesichtspunkten sind solche Services allenfalls als Orientierungshilfe zu sehen. Über die generellen Risiken solcher Steuerungsmodelle wurde auch entsprechend in der Fachliteratur berichtet.

Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang der Datenschutz zu beachten: Klardaten von Patienten (z. B. Name, Versichertennummer) dürfen nicht ohne deren Zustimmung in eine Datenbank eingetragen werden, obwohl die Möglichkeit besteht, entsprechende Daten einzutragen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Nutzung von Datenbanken und Software auch ohne Eingabe dieser Daten möglich ist. Zur Generierung eines Vorschlages ist die Angabe des Geschlechts und des Geburtsjahres zumeist ausreichend.

7.3 Wirtschaftlichkeitsprüfung im Einzelfall – Prüfanträge

Verschiedene Krankenkassen haben das Thema parenterale Ernährung als Prüfthema aufgegriffen und stellen Einzelfallprüfanträge (Prüfung auf Antrag) in diesem Bereich. In den vorliegenden Anträgen wurde jeweils die Auswahl der verordneten Präparate beanstandet, die Indikationsstellung für parenterale Ernährung wurde dabei nicht in Frage gestellt. Bei der Verordnung sind daher insbesondere die Preisunterschiede der in Frage kommenden Präparate zu berücksichtigen (siehe Preisübersicht). Sollte die Verordnungsentscheidung auf ein Präparat fallen, welches jedoch höherpreisig als ein vergleichbares Präparat ist (z. B. aufgrund der Zusammensetzung oder vorliegender Kontraindikationen), sollten die Gründe für die ärztliche Therapieentscheidung sorgfältig dokumentiert werden.
Nach aktuellem Stand sind die Gemeinsamen Prüfungseinrichtungen Baden-Württemberg der Auffassung, dass Fertigarzneimittel vor Rezepturen zu bevorzugen sind, da insbesondere die Zulassung für Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit bürgt.
Die wirtschaftliche und haftungsrechtliche Verantwortung liegt ausschließlich beim verordnenden Arzt, auch wenn eine Empfehlung Dritter (z. B. Therapievorschlag einer Datenbank, einer Klinik oder eines Homecare-Unternehmens) vorliegt.
Die Nichtinanspruchnahme von Datenbanken oder Servicedienstleistern bei der Verordnung von parenteraler Ernährung ist kein Grund für einen Einzelfallprüfantrag.

Bitte beachten: Bei Einzelfallprüfanträgen findet keine Beratung vor Nachforderung statt, sondern es wird direkt eine monetäre Nachforderung ausgesprochen.