5.1 Ulcus cruris venosum

Das Ulcus cruris ist die häufigste Entität einer chronischen Wunde. Hier wiederum steht das Ulcus cruris venosum (UCV) im Vordergrund. Etwa 70 Prozent der Unterschenkelulcera sind venös bedingt. Ein Ulcus cruris venosum stellt das fortgeschrittenste Stadium einer chronischen venösen Insuffizienz (CVI) dar, meist verursacht durch eine lang bestehende primäre Varikosis (Reflux durch Verlust der epifaszialen Venenklappenfunktion) oder ein postthrombotisches Syndrom (PTS, Obstruktion oder Reflux im tiefen Beinvenensystem). Es folgen eine ambulatorische Hypertonie und eine venöse Hypervolämie, die durch Steigerung des transmuralen Drucks zur Gewebeschädigung führen. Dieser chronische Prozess führt zu Stauungsödemen, trophischen Hautveränderungen bis hin zum Gewebeuntergang mit Ulcus cruris meist am distalen medialen Unterschenkel.

Unerlässlicher Grundpfeiler der Therapie des venösen Ulcus cruris ist daher die Kompressionstherapie. Es werden eine Entstauungsphase (zur Ödemreduktion) und eine Erhaltungsphase unterschieden. Solange noch ein relevantes Unterschenkelödem besteht, sollte die Kompression zunächst entweder mit (Kurzzug-)Kompressionsverbänden oder mit adaptiven Bandagen (medizinischer adaptiver Kompressionsverband, MAK) erfolgen. So kann die Kompression kurzfristig (bei jedem Verbandswechsel) an den sich ändernden Unterschenkelumfang angepasst werden. Der Kompressionsdruck sollte im Ulcusbereich bei ca. 40 mmHg liegen. Bei einer retromalleolären Lage des venösen Ulcus muss diese Bisgaard‘sche Kulisse mit einer Pelotte (z. B. aus dickem Polsterfilz) aufgepolstert werden, damit sich der Kompressionsdruck auf die Ulcusregion und das betroffene Gewebe überträgt. Andererseits ist es gelegentlich erforderlich, Prominenzen (Schienbeinkante, Knöchel und/oder Sehne des Musculus tibialis anterior, Achillessehne) abzupolstern. Wenn Mehrkomponenten-Verbände (mit Unterpolsterung) oder eine adaptive Bandage benutzt werden, kann die Kompression mehrere Tage bis zum nächsten Verbandswechsel belassen werden.
Kurzzug-Kompressionsverbände mit Unterpolsterung gibt es als Einmalprodukt (Mehrkomponenten-Kompressionssystem) oder als waschfähige, wiederverwendbare Binden-Sets. Diese wiederverwendbaren Kurzzugbinden können bis 50x gewaschen und wiederverwendet werden. Kurzzug-Kompressionsverbände mit Unterpolsterung erfordern teilweise die Verwendung eines Verbandschuhs, während bei Verwendung von Mehrkomponenten-Kompressionssystemen erfahrungsgemäß die eigenen Konfektionsschuhe getragen werden können. Bei einer länger zu erwartenden Entstauungsphase ist die Verwendung eines Mehrkomponenten-Kompressionssystems gegenüber einem Kurzzug-Kompressionsverband mit Unterpolsterung mit höheren Kosten verbunden.

Grundvoraussetzung der Therapie des Ulcus cruris venosum ist eine adäquate Kompressionstherapie.

Im Rahmen der aktuellen Entwicklung sind adaptive Bandagen / MAK (verordnungsfähig als Hilfsmittel) für adhärente Patienten eine sehr gute Alternative. Nach entsprechender Anleitung ist hier die selbstständige Kompressionstherapie mit adäquatem Kompressionsdruck möglich.

Nach Abschwellen des Ödems eignen sich Verbandstrumpfsysteme (verordnungsfähig als Hilfsmittel) gut zur Kompression während der Wundbehandlung. Diese bestehen aus einem Unterstrumpf der Kompressionsklasse I und einem Überstrumpf der Klasse II. Der Unterstrumpf verbleibt am Bein bis zum nächsten Verbandswechsel und dient auch zur Fixierung des Wundverbandes. Der Überstrumpf wird nur tagsüber getragen und nachts entfernt. Vorteil dieser Verbandsstrümpfe sind die leichtere (zum Teil selbstständige) Handhabung und die Möglichkeit des Tragens normaler Schuhe.

Kompressionstherapie in der Entstauungsphase mittels (Kurzzug-) Kompressionsverbänden, später in der Erhaltungsphase Wechsel auf Strumpfversorgung möglich.

Wegen der oft schwierigen Hautverhältnisse nach zum Teil jahrelanger Ulcuspersistenz ist es sinnvoll, als Wundauflage einen PU-Schaum oder eine Saugkompresse mit Silikonbeschichtung zu verwenden, da diese das geringste Potential zur Hautirritation haben. 

Beim Ulcus cruris venosum Verbandmaterial ohne Kleberand verwenden.

Nach erfolgreicher Ulcusbehandlung und Abheilung der Läsion ist zur Rezidivprophylaxe das dauerhafte Fortführen der Kompressionstherapie entscheidend. Hierfür wäre ein Unterschenkel-Kompressionsstrumpf (A-D) Kompressionsklasse II (KKL II) mit ausreichend hoher Steifigkeit nach Maß/nach Anmessen die Regelversorgung. Eine erforderliche Pelotte könnte in einen Flachstrickstrumpf eingearbeitet werden.

Rezidivprophylaxe durch konsequente Kompressionstherapie.